Berlin – Tag und Nacht
30.04.2025
Studienfahrt der 12. Jahrgangsstufe des LGW in die Hauptstadt
Der Kunstkritiker Karl Scheffler konstatierte 1910 Berlin sei „dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein“. Ganz so dramatisch ist die Situation in der gymnasialen Oberstufe nicht, denn die Schülerinnen und Schüler dürfen „sein“, doch „im Werden“ hilft eine Studienfahrt in die deutsche Hauptstadt mit all ihren kulturellen Facetten enorm.
Am Montag vor den Osterferien machte sich die 12. Jahrgangsstufe des LGW mit ihren begleitenden Lehrkräften Daniel Dollmann, Patrick Giese, Dr. Johannes Hain, Eva Kuffer und Denise Ullmann mit dem Bus auf nach Berlin. Dort angekommen hatten die Schülerinnen und Schüler nach einer Kiezführung einen freien Abend für sich. Das Kulturprogramm begann daher erst am Dienstag mit einer Stadtführung am Vormittag und ausgewählten Bausteinen am Nachmittag. Während die einen lieber ins Olympiastadion, Spionage- oder Technikmuseum fuhren, besichtigten andere den Teufelsberg, wo die Amerikaner im Kalten Krieg eine Abhöranlage installierten und heute eine hippe Street-Art-Szene anzutreffen ist. Am Abend ging es auch je nach Gusto ins Kabarett, Theater oder zur Stand-up-Comedy.
Der Mittwochmorgen hatte schon fast historische Züge, denn just als die LGW-Reisegruppe den Bundestag besuchte, einigte sich die neue Regierung aus CDU/CSU und SPD gerade auf den Koalitionsvertrag. Inwiefern die Schülerinnen und Schüler dieses zeitgeschichtliche Ereignis auf ihrer nachmittäglichen und abendlichen Erkundungstour durch die Hauptstadt, die unbestätigten Gerüchten zufolge auf die Suche nach dem besten Döner, der leckersten Currywurst oder dem coolsten Second-Hand-Laden ausgerichtet war, beeinflusst hat, ist nicht überliefert.
Bleibenden Eindruck hinterließ der Donnerstag, denn da stand der Besuch im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen an. Die auf den ersten Blick nicht zu erwartende Kälte und Grausamkeit dieses unscheinbar in einer Wohnsiedlung gelegenen Gefängnisses war für die Schülerinnen und Schüler zunächst überraschend, ging dann aber durch Mark und Bein. Gleichzeitig warfen die neu gewonnenen Erkenntnisse über die Stasi und ihre perfiden Methoden Fragen nach dem Lehrplan auf, der Geschichte in der 10. und 11. Klasse nur einstündig vorsieht und DDR-Geschichte (10. Klasse) und Erinnerungskultur (11. Klasse) deutlich zu kurz kommen lässt.
Die gelungene Studienfahrt fand bei einem gemeinsamen Bowling-Abend ihr geselliges Ende, ehe es am Freitag in der Früh zurück nach Wasserburg und direkt in die Osterferien ging. „Du bist verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin, wo die Verrückten sind, ja da musst Du hin!“ dichtete einst der österreichische Operetten-Komponist Franz von Suppé. In der Tat waren in Berlin viele wunderliche Gestalten anzutreffen, als der Bus in die Salzburger Straße 11 einrollte, waren alle aber auch ganz froh, wieder daheim zu sein.
Dr. Johannes Hain