Einblick in die Welt des Notariats: Das P-Seminar WR zu Gast im Notariat Wasserburg

12.05.2025

Eine besonders praxisnahe Form der Berufsorientierung erlebte kürzlich das P-Seminar WR: Ein Besuch beim ortsansässigen Notar Florian Machleidt gewährte uns tiefe Einblicke in ein oft von Klischees behaftetes Berufsfeld. In einem einstündigen, äußerst informativen Vortrag nahm sich der Notar die Zeit, nicht nur die Facetten seiner Tätigkeit darzulegen, sondern auch mit gängigen Vorurteilen aufzuräumen.

Herr Machleidt begann seinen Vortrag geschickt, indem er verbreitete Mythen aufgriff. So beispielsweise die Annahme, Notarstellen würden quasi vererbt oder setzten lediglich eine herausragende Leistung im Vorlesewettbewerb voraus. Zwar ist das sorgfältige Verlesen der Urkunde ein essenzieller Bestandteil des Notartermins, doch der Weg zum Notaramt ist ungleich anspruchsvoller. Er erfordert ein abgeschlossenes Jurastudium, gefolgt von einem erfolgreichen Referendariat, beides idealerweise mit Prädikatsexamina. Die Zulassung zum Notardienst hängt von der erreichten Platzziffer ab (in Bayern oft bis Platzziffer 15), was den Berufseinstieg stark leistungsabhängig und kaum planbar macht. Es folgt eine dreijährige Anwärterzeit als Notarassessor, die mit der Bereitschaft zu Einsätzen in ganz Bayern und häufigen Kanzleiwechseln verbunden ist, bevor man sich auf eine frei werdende Notarstelle bewerben kann.

Ein weiteres Vorurteil betraf die Annahme, Fragen seien während eines Notartermins unerwünscht. Hier betonte Herr Machleidt eindrücklich seine Rolle als neutrale und zur Verschwiegenheit verpflichtete Instanz. Kern seiner Aufgabe sei die Aufklärungspflicht: Er muss sich gewissenhaft davon überzeugen, dass alle Beteiligten den Inhalt und die Tragweite der zu beurkundenden Erklärungen vollständig erfasst haben. Auch wenn viele Details bereits in Vorgesprächen geklärt werden, sind Rückfragen im eigentlichen Beurkundungstermin nicht nur zulässig, sondern oft notwendig für das Verständnis aller Parteien.

Auch dem Bild des vergeistigten, lebensfremden Stubenhockers trat der Notar entschieden entgegen. Er schilderte ein breites berufliches Feld, das den Kontakt mit einer Vielzahl unterschiedlichster Menschen und deren Anliegen mit sich bringt – von Unternehmensgründungen über Immobilienkäufe bis hin zu Eheverträgen und erbrechtlichen Regelungen. Der Beruf sei somit äußerst vielfältig und stark nach außen gerichtet.

Die Vorstellung vom Notar, der nachmittags auf dem Golfplatz anzutreffen sei und den „bestbezahlten Halbtagsjob“ innehabe, wurde ebenfalls korrigiert. Der Notarberuf ist ein anspruchsvoller Vollzeitjob, der eine hohe Einsatzbereitschaft erfordert. Notare unterliegen einer Amtspflicht und dürfen Mandanten innerhalb ihres Bezirks nicht ohne triftigen Grund abweisen, bearbeiten aber auch Anliegen von Klienten außerhalb ihres zugewiesenen Amtsbereichs.

Schließlich ging es um die angebliche „Lizenz zum Gelddrucken“. Zwar sei das Einkommen sehr gut, es basiere jedoch auf einem festen, gesetzlich geregelten Gebührensystem (Gerichts- und Notarkostengesetz), das sich am Wert der zu beurkundenden Sache orientiert. Notare sind Freiberufler und somit wirtschaftlich selbstständig, unterliegen aber einer regelmäßigen und engmaschigen Dienstaufsicht durch das zuständige Landgericht.

Im Anschluss an die Entkräftung dieser Vorurteile stellte Herr Machleidt weitere attraktive Berufsbilder im Umfeld eines Notariats vor, wie die Ausbildung zur/zum Notarfachangestellten oder die anspruchsvolle Weiterbildung zur/zum Inspektor/in im Notardienst, wobei letztere eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist und man deshalb bei der Notarkasse und nicht direkt beim Notar angestellt ist.

Die Exkursion bot somit nicht nur eine hervorragende Gelegenheit, ein komplexes Berufsbild aus erster Hand kennenzulernen, sondern auch, festgefahrene Meinungen zu hinterfragen und zu revidieren. Wir danken Herrn Machleidt herzlich für seine Zeit und die aufschlussreichen Ausführungen, die unseren Schülerinnen und Schülern wertvolle Impulse für ihre berufliche Zukunft gaben.

Andrea Kaltenhauser